fbpx

Unser Blog

Ethischer Minimalismus

Ethischer Minimalismus

TAUSCHE KAUFRAUSCH GEGEN GUTES GEWISSEN

Die Begriffe Ethik und Minimalismus hat vermutlich jeder schon einmal gehört, doch auch in Kombination miteinander? Ethischer Minimalismus soll die Idee beschreiben, dass die Entscheidung zu einer minimalistischen Lebensweise aus ethisch-moralischen Gründen getroffen wird. Dieser Bezug kann sowohl zu sozialen als auch ökonomischen und ökologischen Aspekten hergestellt werden, wenn man zum Beispiel die menschenunwürdigen Bedingungen in der Textilherstellung, den durch Kapitalismus gesteuerten und geförderten Konsumwahn oder die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt betrachtet.

Soziale Aspekte

Wenn es um menschenunwürdige Arbeitsbedingungen geht, denkt man sofort an weit entfernte Produktionsländer und, aufgrund diverser Negativ-Schlagzeilen in den Medien, an die Textilbranche. Dies ist absolut gerechtfertigt, bedenkt man die Tatsache, dass ca. 85 % der rund 40 Millionen Textilarbeiter*innen Frauen sind, welche zu den schlechtbezahltesten und schutzlosesten Arbeitnehmer*innen weltweit gehören. Diese Schutzlosigkeit wird unterstrichen durch Berichte der Frauen, viele unerwünschte sexuelle Annäherungen und Übergriffe beobachtet oder gar selbst erlebt zu haben. Ein Bericht der NGO „Workers Rights Consortium“ (WRC) von 2019 enthüllt weitverbreitete Vergewaltigungen und sexuelle Belästigung in zahlreichen Textilfabriken namhafter Modemarken. Dass Frauen dabei etwa ihren Lohn erst ausgezahlt bekommen, wenn sie zum Geschlechtsverkehr mit ihren männlichen Vorgesetzten „zugestimmt“ haben, ist nur eine traurige Wahrheit, die sich Länden wie Lesotho abspielt; Arbeiter*innen aus Mexiko, Vietnam, China oder auch der Türkei berichten ähnliches. Aber nicht nur die Textilindustrie nutzt ihre Arbeiter*innen schamlos aus; auch in der Fischerei und Landwirtschaft tragen sich unfassbare Dinge zu. In diesen Bereichen ist die Ausbeutung von Arbeitskräften laut einem EU-Bericht von 2015 sogar am höchsten! Eine Sammelklage vom „Guardian“ 2014 legte offen, dass Arbeitskräfte auf thailändischen Fischerbooten wie Tiere gehandelt wurden und neben 20-Stunde-Schichten auch Schlägen, und sogar Mord, ausgesetzt waren. Sklaverei scheint daher ein wesentlicher Bestandteil in der Meeresfrüchteproduktion zu sein, dessen Endprodukte in bekannte Supermarktketten später ihren Weg finden. Laut dem „Global Slavery Index“ lebten 2014 weltweit etwa 35,8 Millionen Menschen in modernen Formen der Sklaverei, ein Großteil davon in Asien. Aber auch in der europäischen Landwirtschaft nehmen, meist süd-ost-europäische, Migrant*innen Arbeit zu prekären Bedingungen und Hungerlöhnen an. Arbeit, für die sich einheimische Arbeitskräfte „zu schade“ sind. Arbeiter*innen ohne Papiere, die jeden Morgen mit einem Pick-Up vom Produzenten abgeholt werden und als Tagelöhner arbeiten, ist im spanischen Andalusien nichts Ungewöhnliches. In Italien arbeiten Menschen, speziell Flüchtlinge aus Lampedusa, unter 20€ pro Tag und leben in „Unterkünften“ aus Karton und Plastik. Derartige Verbrechen werden im Verborgenen begangen, weswegen nur selten solche Informationen ans Tageslicht gelangen; die Dunkelziffer menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen ist demnach weitaus höher, aber sie sind alle ethisch und moralisch verwerflich. Oder wie würdest du darüber denken, wenn du in der Situation dieser Arbeiter*innen wärst?

Ökologische Aspekte

Die Verschwendung von Lebensmitteln, beispielsweise, ist ein großes ethisches Problem, das eigentlich leicht zu vermeiden wäre. Etwa ein Drittel der Lebensmittel wird weggeworfen, obwohl Millionen von Menschen Hunger leiden. Im Handel sollen durchaus auch Waren angenommen werden, die den „ästhetischen Anforderungen“ der Konsument*innen nicht vollständig entsprechen; dies macht aber gerade mal 5 % der Lebensmittelabfälle aus. Ganze 42 % der Lebensmittelverschwendung treten nämlich im privaten Haushalt auf, weswegen Konsumgewohnheiten bei diesem Problem eine große Rolle spielen. Die schlussendlich entsorgten Lebensmittel haben aber dennoch ressourcenintensive Schritte hinter sich: Herstellung und Transport benötigen Wasser, Energie und Flächen sowie Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Im Zuge dessen werden Treibhausgasemissionen in der Höhe von geschätzten drei Gigatonnen verursacht – die unnötig wären, wenn man die Nachfrage reduziert und das Angebot dementsprechend anpasst. Ganze 28 % des weltweiten Ackers werden laut UN für die Produktion von Lebensmittel genutzt, die nie gegessen werden. Dass die Produktion von Fast Fashion sich ebenfalls negativ auf die Klimabilanz auswirkt, ist auch keine Überraschung. Eine Untersuchung der britischen Ellen-MacArthur-Stiftung hat ergeben, dass die gesamte Textilindustrie bis 2050 für ein Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich sein könnte. Derzeit liegt die Branche bei 1,2 Billionen Tonnen CO2 jährlich, das sind mehr als internationale Flüge und Kreuzfahrten zusammen. Die Modeindustrie allein macht 5 % der globalen Emissionen aus, die durch die Gewinnung von Plastikfasern, deren Weiterverarbeitung und den langen Transportwegen entstehen – von Mikroplastik, giftigen Chemikalien und dem hohen Wasserverbrauch ganz zu schweigen. Wie lassen sich diese Tatsachen ethisch vertreten? Nur weil wir in der westlichen Welt uns meist in der glücklichen Lage befinden, uns genügend Essen und Kleidung leisten zu können, heißt das nicht, dass wir damit rücksichtlos hantieren dürfen. Dies ist gegenüber nicht so privilegierten Menschen, im Ausland als auch bei uns in Österreich, als auch der Umwelt gegenüber verantwortungslos und unmoralisch.

Ökonomische Aspekte

Dass von billiger und ausbeuterischer Arbeit die großen Unternehmen profitieren, ist vermutlich denkbar, wenn auch respektlos und unfair. Aber die zum günstigsten Preis hergestellten Waren auch noch en mass verkaufen zu wollen, um möglichst schnell die nächste Charge anbringen zu können, grenzt an makabren Wahnsinn. Doch leider genau so funktioniert unser heutiges kapitalistisches Wirtschaftswachstum: Immer mehr verkaufen, immer mehr Geld verdienen, immer weiter wachsen. Dass dies nicht nur unser humanistisches Kapital ausschöpft sondern auch unsere ökologischen Ressourcen, sollte offensichtlich sein. Mensch und Natur werden auf der gesamten Produktions- und Wertschöpfungskette ausgebeutet und stehen in der „Nahrungskette“ weit unten. Die Machthaber profitieren, ohne Rücksicht auf ihre Mitmenschen oder die Umwelt, in der sie leben. Gewinnmaximierung ist wichtiger als suffizienter Ressourcenumgang, nicht gerade eine nachhaltige Einstellung. Das Angebot übersteigt schon lange die Nachfrage, und Konsument*innen sehen sich einem Dschungel an unterschiedlichen und ähnlichen Artikeln gegenüber. Die „Qual der Wahl“ steht beim Einkaufen mittlerweile an der Tagesordnung und kann schnell überfordern. Besonders den Überblick über qualitativ hochwertige, nachhaltige und fair produzierte und gehandelte Produkte zu behalten und von den „bösen“ Artikeln zu unterscheiden wird immer mehr zur Herausforderung. Dabei muss es gar nicht so weitergehen wie bisher: Es ist nichts falsch daran, Qualität über Quantität zu stellen. Abgesehen von einem positiven Image und Kund*innentreue können Unternehmen durch besseres Ressourcenmanagement, Einhaltung menschenwürdiger und umweltschonender Standards Verantwortung übernehmen und qualitativ bessere und ethisch vertretbare Produkte auf den Markt bringen. Unternehmen können durch neue, verantwortungsbewusste Geschäftsmodelle unabhängiger vom Wirtschaftswachstum werden, um das konservative Systems des klassischen „höher, weiter, besser“ durch eine Postwachstumsökonomie zu ersetzen. Hierbei wächst die Wirtschaft zwar weiter, aber deutlich langsamer; teilweise kann das Wachstum auch stagnieren. Dabei stellt sich die Frage, ob das Streben nach Gewinn vorrangig bleiben soll oder an besseren sozialen und ökologisch vorteilhaften Problemlösungen für die Kund*nnen und Investor*nnen gearbeitet wird.

Weniger, dafür bewusster Einkaufen

Teilweise wird das lineare Modell der Ressourcenausbeutung, in dem aus Rohstoffen Produkte werden und aus Produkten Abfall, zunehmend abgelöst von einem regenerativen Modell der Ressourcennutzung, zum Beispiel von diversen Slow Fashion Anbietern. Dabei wird der Lebenszyklus eines Produkts zu einem Kreislauf geschlossen, in dem etwa Abfall nicht entsorgt sondern selbst wieder zur Ressource wird. Mit dem Modell der Kreislaufwirtschaft, der Circular Economy, sind nicht nur ökologische Ziele verbunden, sondern klare ökonomische Chancen. Natürlich besteht ihr noch viel Luft nach oben, denn viele Unternehmen setzen nach wie vor noch auf Linearwirtschaft. Um die Kreislaufwirtschaft weiter zu fördern, muss erstmal das Ursprungsmaterial von guter Qualität sein, sprich eine lange Haltbarkeit und Verringerung der zuvor genannten Umweltbelastungen aufweisen. Die Art, wie die Ware entworfen und verwendet wird, muss so verändert werden, dass sie nicht mehr so schnell auf dem Müll landet wie bisher. Das Recycling muss auch von Anfang an bedacht und eingeplant werden, weswegen Recyclingtechnologien auch verbessert werden müssen. Zu guter Letzt muss der Einsatz von Rohstoffen reduziert werden beziehungsweise sollten sie erneuerbar sein, wenn sie zum Einsatz kommen. Damit diese Entwicklung vorangetrieben werden kann ist es enorm wichtig, dass wir als Konsument*innen uns über die Produktionskette informieren, wenn wir einkaufen, und uns nicht von bewusst verlockenden Angeboten wie „Kauf 2, Zahl 1“ zu einem unnötigen Kauf verleiten zu lassen. Sich einfach die Frage zu stellen, ob ich persönlich mit meiner Kaufentscheidung leben kann und ethisch-moralisch hinter ihr stehe, kann dabei Abhilfe schaffen. Wenn du zukünftig darauf achtest, woher dein Einkauf stammt und welche Produktionsbedinungen er hinter sich hat, legst du vielleicht mehr Wert auf die Qualität, Fairness und Nachhaltigkeit. Möglicherweise kaufst du auch nicht mehr ganz so oft ein oder nur noch das, was du wirklich brauchst. Minimalismus steht für „freiwillige Einfachheit“, um sich selbst eine Pause vom übertriebenen Konsum und der damit einhergehenden Reizüberflutung zu gönnen. Ein freiwilliger Verzicht auf Dinge, die du eigentlich gar nicht brauchst, ist einfacher zu integrieren, als du denkst. Du solltest es mal ausprobieren 🙂

Quellen:
Textilindustrie: Gewalt gegen Frauen und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen – Facing Finance (facing-finance.org) (17.12.2020)
Moderne Sklaverei: Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Fischerei und Landwirtschaft – Facing Finance (facing-finance.org) (17.12.2020)
Arbeitsbedingungen in Europa: Lohnsklaverei ist normal – taz.de (17.12.2020)
Ursachen und Folgen von Lebensmittelverschwendung | Umwelt im Unterricht: Materialien und Service für Lehrkräfte – BMUB-Bildungsservice | Umwelt im Unterricht (umwelt-im-unterricht.de) (17.12.2020)
ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl. (17.12.2020)
Nachhaltigkeit: Mode-Wahnsinn zerstört Umwelt – wie wir das ändern – FOCUS Online (17.12.2020)
Neo-Ökologie Glossar (zukunftsinstitut.de) (17.12.2020)

Quelle Titelbild:
Unsplash, Miriam Espacio, (17.12.2020)