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Re-Use Konferenz 2021

Re-Use Konferenz 2021

Re-Use ist aufgrund meines persönlichen Interesses als auch meines beruflichen Alltags kein Fremdwort. Bei uns, im das Gramm, setzen wir stark auf das Wiederverwenden von Behältern aus Plastik, Glas, Karton oder Stoff – unabhängig vom Material gilt für uns:

Je öfter und länger man etwas nutzt, umso besser.

Dabei haben wir uns vor allem auf unverpackte Lebensmittel spezialisiert, wobei wir auf einwandfreie Qualität, Saisonalität sowie Regionalität achten. Um unser Angebot zu ergänzen, haben wir auch im Non-Food-Bereich einige Produkte, bei denen Re-Use angewendet werden kann und soll. Leere (Pfand-)Flaschen können bei uns ganz einfach wiederbefüllt werden, wodurch unnötiger Verpackungsmüll unkompliziert vermieden werden kann. Dies gilt sowohl für den Haushalts- als auch Kosmetikbereich. Umso spannender war es nun für mich, durch die Re-Use Konferenz am 19. Mai mehr über das Konzept der Wiederverwendung im Textilsektor zu erfahren.

Bereits zum achten Mal jährte sich diese Veranstaltung, die von der ARGE Abfallvermeidung organisiert wird, wenn auch zum ersten Mal in virtueller Form. Die wenigen technischen Schwierigkeiten haben der Qualität der Konferenz allerdings nichts abgetan, da die praxisnahen Fachvorträge äußerst informativ und zugleich spannend aufbereitet waren. Energiegeladene Statements fielen gleich in der Begrüßungsrunde, etwa „Auf dieser Welt gibt’s noch viel zu tun“ oder „Arbeiten wir an einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft weiter“. Oder, dass es pragmatische Lösungsansätze braucht, die nahe an den Bürger*innen und wirkungsvoll sind, dass enorme Ressourcen in unserem Abfall stecken und dass durch gewisse Studiengänge wie Umweltsystemwissenschaften oder Global Studies die Wichtigkeit all dieser Aspekte hervorgehoben und die jüngere Generation zum Handeln befähigt. Als Global Studies Absolventin hat mich natürlich besonders die letzte Aussage stark angesprochen.

In den anschließenden Vorträgen wurden einige Fakten genannt, von denen man vielleicht schon mal gehört hat:

  • Recycling ist wichtig, reicht aber nicht aus;
  • Kleidung wird billigst in Entwicklungsländern hergestellt, wobei die Arbeitskräfte ausgebeutet werden, die Umweltauswirkungen vor Ort katastrophal sind und die Lebensdauer von Kleidern stetig sinkt;
  • Altkleidersammelstellen sind zwar vorhanden und werden genutzt, gebrauchte Ware zu kaufen ist jedoch etwas für „Bedürftige“.

In Österreich ist deshalb das Angebot an Altkleidern auch viel größer als die Nachfrage – wir spenden viel mehr Altkleidung, als wir selbst einkaufen (würden). Darum wird der Großteil der Kleiderspenden auch in andere Länder, in denen eine größere Nachfrage vorherrscht, exportiert. Diese Tatsache war mir nie direkt bewusst, macht aber auf jeden Fall Sinn, wenn ich mich in meinem eigenen Umfeld umsehe – kaum jemand trägt gebrauchte Kleidung oder war schon einmal in einem Second Hand Store. Da wirken folgende Hard Facts aus den Vorträgen auch gleich sehr schlüssig, wenn auch der letzte etwas überraschen mag: Der Bedarf an (neuer) Kleidung ist in den Industrieländern auf das Doppelte angewachsen; der Modemarkt kalkuliert mit stolzen 30% Überproduktion; weltweit gesehen ist Second Hand aber nicht die Ausnahme, sondern sogar die Regel.

Es würde zu viele Zeilen brauchen, um den hochkarätigen Vorträgen den Raum zu geben, den sie ausnahmslos alle verdient hätten. Ich möchte aber versuchen, die wichtigsten Punkte zusammenzufassen, die ich mir aus der Konferenz mitgenommen habe und bei denen es mir ein Anliegen ist, diese weiterzugeben:

Die Ökologisierung unserer Produkte und Dienstleistungen steht im Vordergrund, was auch wichtig ist. Jedoch kaufen Menschen gerne „grüne“ Produkte, um sich beim Einkaufen gut zu fühlen und ein reines Gewissen zu haben. Der negative Beigeschmack dabei ist aber, dass man dadurch eventuell mehr einkauft. Es sollten daher die Langlebigkeit der Produkte gefördert werden und Ansätze entwickelt werden, die eine Reduktion des Einkaufens, den bewussten Verzicht in den Fokus nehmen. Neue, nicht verkaufte Produkte dürfen nicht mehr zerstört werden – die Überproduktion soll im Vornherein schon vermieden werden! „All you need is less“ kann hier als Devise gesehen werden. Re-Use muss durch Bildungsarbeit mehr in den Vordergrund gerückt werden und in vielerlei Hinsicht gelebt werden (können). Textilien eignen sich hervorragend für Wiederverwendung, weshalb in diesem Bereich nicht voreilig „nur“ auf Recycling gesetzt werden sollte. Aber auch bei Elektrogeräten beispielsweise bieten sich solche abfallvermeidenden Lösungen an. Eine Investition in dieses Konzept würde nicht nur die Müllproblematik in Angriff nehmen, sondern zudem auch arbeitsmarktpolitisch von Vorteil sein. Dazu brauchst es natürlich politische Maßnahmen, aber auch wir als Einzelpersonen können etwas bewirken.

Wir Menschen wollen stets für uns das Beste rausholen, das liegt in unserer Natur. Deswegen vergleichen wir auch ständig die vorliegenden Angebote miteinander und wollen das günstigste Produkt erstehen, um so „gut auszusteigen“. Was mit diesen Dumping-Preisen einhergeht, ist uns nicht direkt bewusst, weswegen wir uns aktiv damit auseinandersetzen müssen. Denn:

Billige Kleidung ist nicht billig – irgendwo zahlt jemand dafür.

Darum müssen wir uns fragen, wo unsere Kleidung herkommt, woraus sie besteht, wie und von wem sie hergestellt wurde, wie sie zu uns gekommen ist und was mit ihr nach dem Aussortieren passiert bzw. passieren kann – über all diese Schritte und deren Auswirkungen sollten wir uns bewusst sein. Wir müssen langlebigere Produkte, die sozial und ökologisch produziert wurden, fordern und fördern, und so zukünftig vermeiden, dass ¾ unserer Kleidung im Müll landet. Mit dem Konzept „Radikales Behalten“ können wir versuchen, mit der Reparatur kaputter Kleidung auch ein kaputtes System zu reparieren. Denn der „Mangel“, der uns ständig suggeriert wird, ist nicht real; wir brauchen nicht so viel, wie wir kaufen. Auch wenn der Belohnungsimpuls im Gehirn uns ein positives Gefühl vermittelt und süchtig macht. Wenn wir über die Konsequenzen, die mit unserer Kaufentscheidung einhergehen, Bescheid wissen, dann kann auch dieser Drang nach etwas Neuem, der sogenannte Kaufrausch, reduziert werden. Wenn wir jedes Kleidungsstück mit unserem eigenen Gewissen vereinbaren müssen.

Mode ist an sich nichts Schlechtes!
Das System dahinter allerdings schon – und das gilt es zu verändern.

Eben durch die genannten Änderungen auf individueller Ebene, als auch auf politischer – denn nur gemeinsam können wir neue und innovative Lösungen finden und wirklich etwas verändern. Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen die Herstellerfirmen in die Pflicht nehmen, sie zur Verantwortung ziehen, dass sie sowohl bei den ersten Schritten der Produktion sozial und ökologisch wertvoll arbeiten als auch im End-of-Lifecycle sich um die Wiederverwendbarkeit und Entsorgung kümmern bzw. berücksichtigen. Ob dies durch Abgaben, Lizenzgebühren oder ähnliches passieren soll, da sind sich selbst die vortragenden Expert*innen uneinig. Allerdings stimmen alle darin überein, dass es bereits sehr gute Lösungsansätze gibt – auch in anderen Ländern – und man sich durchaus das eine oder andere davon abschauen kann. Denn eins ist sicher: es muss etwas getan werden.

Es gäbe viele Chancen durch die vermehrte und weiter verbreitete Wiederverwendung unterschiedlichster Produkte aus verschiedenen Bereichen. Die Expert*innen haben im Zuge der 8. Re-Use Konferenz unzählige Beispiele, Möglichkeiten, Herausforderungen und Lösungsansätze geliefert, ganz im Sinne von Zero Waste und Ressourcenschonung, das Konzept, nach dem wir bei das Gramm handeln. Nun müssen die gelieferten Beispiele, Möglichkeiten, Herausforderungen und Lösungsansätze nur noch großflächig umgesetzt werden.

Quelle Bild:
Unsplash, Shanna Camilleri

Second Hand Mode Symbolbild Unsplash